Internationaler Tag der Pressefreiheit

Zunehmend unter Druck: Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk

Wie steht es um die Pressefreiheit? Wie groß ist der Druck auf Journalistinnen und Journalisten? Können wir unserer Aufgabe, frei und unabhängig zu berichten, gerecht werden? Zum Tag der Pressefreiheit sprechen wir mit Hubert Krech, dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Redaktionsausschüsse von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

(c) pixabay

VRFF: Was sind derzeit die größten Probleme in Bezug auf die Pressefreiheit?

Hubert Krech: Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Weltweit ist die wahrheitsgemäße Berichterstattung unter großem Druck: Trump verbannt renommierte Presseagenturen aus dem Weißen Haus, weil sie nicht berichten, wie er will. In Deutschland gibt es immer mehr gewaltsame Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Und die Social-Media-Plattformen, auf denen sogenannte „alternative Medien“ Fake News verbreiten, sind in der Hand von wenigen amerikanischen Multimilliardären, die nach Lust und Laune ihre Algorithmen ändern – und neuerdings sozusagen auf dem Schoß von Trump sitzen. Um die Pressefreiheit ist es also nicht mehr so gut bestellt wie noch vor einigen Jahren.

VRFF: Was bedeutet das für die Zuschauer, Leser und Nutzer?

Hubert Krech: Das Ziel von einigen ist ja, dass im Netz immer mehr die Grenzen zwischen Fakten und Fake verschwimmen. Schon 2016 gab Trumps Wahlkampfmanager Bannon die Losung aus: „Fill the Zone with Shit“. Und wenn jetzt Facebook die Faktenchecks abschafft, Elon Musk die Algorithmen auf Twitter so ändert, dass vor allem Hetze bevorzugt angezeigt wird – Musk ist gleichzeitig auch noch der reichste Mann der Welt und im Regierungsteam von Trump -, eine solche Konzentration aus politischer Macht, medialer Macht und Geld ist höchst problematisch und demokratiegefährdend. Das dürften eigentlich weder die EU noch Deutschland durchgehen lassen.

Pressefreiheit aus Sicht eines Kameramanns: Lest hier seinen Bericht.

VRFF: Haben wir als Öffentlich-Rechtliche hier nicht eine Chance, mit unserer Berichterstattung ein Fels in der Brandung zu sein?

Hubert Krech: Natürlich – und daran arbeiten die vielen Kolleginnen und Kollegen bei ARD, ZDF und Deutschlandradio rund um die Uhr. Noch erreichen wir viel Millionen von Menschen im Fernsehen, am Radio und im Netz und wir haben die höchsten Vertrauenswerte aller Medien. Wir dürfen uns aber nichts vormachen: Die Entwicklung wird weitergehen – vor allem dann, wenn bestimmte politische Kräfte immer mehr Einfluss bekommen.

VRFF: Du meinst die Parteien und Gruppierungen, die gegen uns arbeiten, wie etwa die AfD?

Hubert Krech: Ja, die AfD will uns abschaffen, weil wir unbequem sind. Aber auch andere Kräfte bekämpfen uns. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht so unter Druck wie noch nie. Kritik an unserer Berichterstattung ist natürlich erlaubt und sogar wünschenswert – aber die aggressiven Anfeindungen sind alarmierend. Leider beobachten wir, dass uns die Medienpolitik mit ihren Reformen ebenfalls Knüppel zwischen die Beine wirft: Zum einen gesteht man uns die uns zustehende Beitragserhöhung nicht zu – die Länder bewegen sich hier nah am Verfassungsbruch. Zum anderen sind die beschlossenen Reformen ein rückwärtsgewandtes Desaster: Gerade in Zeiten von Fake News müssen wir im Infobereich Sender streichen – und im Netz müssen wir uns bei Texten massiv beschränken. Das ist das Gegenteil einer verantwortungsvollen Medienpolitik.

VRFF: Das sind Bedrohungen von außen – sind wir im Innern gefestigt?

Hubert Krech: Ein Blick nach Österreich lohnt sich, denn der ORF steht seit vielen Jahren massiv unter Druck. Die Kolleginnen und Kollegen warnen uns schon lange vor einer schleichenden Entwicklung: die Schere im Kopf bei Interviews, weil man Shitstoms und Anfeindungen fürchtet, Übernahme von Narrativen oder Themen bestimmter Parteien in die Berichterstattung, Kolleginnen und Kollegen, die versuchen, über die Politik Karriere im ORF zu machen.

VRFF: Und wie wehren sich die ORF-Kollegen? Wie kann man solche Entwicklungen verhindern?

Hubert Krech: Sehr wichtig sind Intendanten, die die Rundfunkfreiheit verteidigen. Das haben wir in Deutschland. Natürlich sind integre Führungskräfte und Redaktionsleiterinnen und -leiter sehr wichtig. Aber es braucht auch selbstbewusste Redakteurinnen und Redakteure. Der ORF hat – wie die meisten ARD-Anstalten – ein starkes Redaktionsstatut und eine Redaktionsvertretung, die für die Unabhängigkeit in den Redaktionen kämpft und über die Rechte und Pflichten der Redakteure wacht. Hier hat das ZDF noch Nachholbedarf – wir sind aber auf einem guten Weg. Wir müssen ja immer bedenken: Wir haben den Auftrag, die Menschen unabhängig und wahrheitsgemäß zu informieren. Das ist der Grund, warum uns viele einschalten. Und das müssen wir weiter stärken, um zu bestehen.

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