Entwurf Reformstaatsvertrag der Ministerpräsidenten für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk

VRFF: Reformen im ÖRR ja, aber nicht um jeden Preis

(c) VRFF die mediengewerkschaft

Rund 16.000 Stellungnahmen gingen zu den Reformplänen der Politik ein, in denen unter anderem 3sat und arte zusammengelegt und Hörfunkwellen gestrichen werden sollen. Auch die VRFF die mediengewerkschaft hat ihre Stellungnahme dazu fristgerecht hochgeladen. Hier die konstruktive Kritik der VRFF im Wortlaut:

Rückmeldung der VRFF die mediengewerkschaft im ZDF zum Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag)“

Sehr geehrte Ministerpräsident*innen, sehr geehrte Mitglieder der Rundfunkkommission, liebe Zuschauer*innen und Nutzer*innen des ZDF,

wir vertreten die VRFF Betriebsgruppe im ZDF. Als solche haben wir die zurückliegenden Reformprozesse immer kritisch und konstruktiv begleitet – und verfügen über besonders tiefen Einblick in die tatsächlichen Geschehnisse. Mit dieser Expertise melden wir dringenden Änderungsbedarf an den Vorschlägen an. Sie sind aus unserer Sicht in der jetzigen Form in weiten Teilen kontraproduktiv oder wirkungslos und schaden dem Auftrag:

  1. Widerspruch zur proklamierten Zielsetzung: Der Entwurf betont zwar die Notwendigkeit, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks qualitativ zu stärken, geht jedoch in zentralen Punkten genau in die entgegengesetzte Richtung. Insbesondere die geplante Streichung oder Reduzierung von Kanälen wie 3sat, phoenix und zdfinfo, die sich explizit der politischen Berichterstattung, Kultur, Wissenschaft und Bildung widmen, gefährdet den öffentlich-rechtlichen Auftrag in seiner wichtigsten Säule. Diese Kanäle sind essenziell für die unabhängige und qualitativ hochwertige Berichterstattung und stehen in direktem Einklang mit dem Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Ihre Reduzierung schwächt genau jenen Bereich, der das Rückgrat des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt.
  2. Behinderung der digitalen Verbreitung: Die Zukunft des Rundfunks liegt unweigerlich im digitalen Bereich. Es ist daher unverständlich, warum der Entwurf die Veröffentlichung von Inhalten an eine lineare Ausstrahlung koppelt. Dieser Sendungsbezug verhindert die aktuelle Berichterstattung über die Online-Plattformen des ÖRR; die Erfüllung des Informationsauftrages ist dadurch massiv eingeschränkt. Gerade junge und netzaffine Menschen werden damit in die Arme von Informationsseiten im Internet getrieben, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar ist und die häufig nicht demokratischen Grundprinzipien unterliegen. Im Digitalen können diverse Meinungen besser abgebildet und Diskussionen im Publikum gefördert werden – ein entscheidender Aspekt in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft. Ferner behindert der Sendungsbezug die Möglichkeit, diese digitalen Plattformen adäquat zu bedienen und gefährdet somit die Mission des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Brücken zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu schlagen. Zudem sind die klassischen linearen Sendungen nicht mehr gefragt: Formate werden bereits seit Jahren zunehmend über non-lineare Abrufe konsumiert, und gerade über Drittplattformen werden neue Nutzer*innen für das öffentlich-rechtliche Programm gewonnen.
  3. Verlust an Diversität, Flexibilität und Zielgenauigkeit: Insbesondere kleinere Sender wie 3sat, arte, funk, kika, phoenix, zdfinfo und zdfneo sind von den Kürzungen bedroht, obwohl sie durch ihre Flexibilität und ihre Fähigkeit, auf aktuelle Entwicklungen schnell und einfühlsam zu reagieren, in einer zunehmend komplexen Medienlandschaft eine entscheidende Rolle spielen. Gerade, weil sie klein sind, können sie besonders genau und auch schneller auf Gesprächsbedarf insbesondere auch jüngerer Zuschauerschichten reagieren, und damit die gesellschaftliche Teilhabe an wichtigen Diskussionen fördern. Die vorgeschlagenen Kürzungen würden diese wichtigen Impulse unterbinden. Die Haus-Strategie “Ein ZDF für alle” würde geschwächt.
  4. Effizienz wird untergraben, nicht gesteigert: Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, das Angebot zahlenmäßig zu reduzieren, bringen jedoch kaum finanzielle Entlastung. Vielmehr würde die angestrebte Steigerung der Effizienz konterkariert. Sender wie 3sat, arte, funk, kika, phoenix, zdfinfo und zdfneo verwerten bereits jetzt viel bestehendes Material weiter, indem sie es zielgruppengerecht aufbereiten. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Nutzung von Ressourcen und zur Effizienzsteigerung. Eine Streichung dieser Angebote würde gerade in diesem Punkt einen Rückschritt darstellen.
  5. Überproportionale Streichungen beim ZDF: Als VRFF-Betriebsgruppe im ZDF möchten wir zudem darauf hinweisen, dass das ZDF in den vergangenen Jahren bereits überproportional viele Einsparungen geleistet hat. Weitere Kürzungen würden das Gleichgewicht innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter stören und die Vielfalt des Angebots massiv einschränken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der vorliegende Entwurf weder eine Verbesserung der Qualität noch eine wirkliche Effizienzsteigerung mit sich bringt. Im Gegenteil: Er gefährdet den öffentlich-rechtlichen Auftrag in seinen wichtigsten Bereichen und schwächt den Rundfunk in einer Zeit, in der er als unabhängige, vielfältige und qualitativ hochwertige Stimme mehr denn je gebraucht wird.

Der vorliegende Vorschlag soll “Vertrauen aufbauen”. Wir verstehen dies so, dass auch das Vertrauen in die Politik und ihre Gestaltungskompetenz erhalten bleibt. Gerade in den Zeiten, wo vermeintlich demokratische Parteien an den Rändern des Spektrums die Demokratie und das unabhängige Mediensystem gefährden. Wer die Demokratie und sichern möchte, muss auch die Medien stärken, öffentlich-rechtliche wie unabhängige private. Daran mitarbeiten sollte allen Akteuren ermöglicht werden. VRFF die Mediengewerkschaft ist dafür bereit.

VRFF die mediengewerkschaft, Betriebsgruppe ZDF

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